Systemisches Konsensieren

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Was ist Systemisches Konsensieren (SK)?

Überblick

Eine Abstimmung, bei der man nur "Ja/Nein/Enthaltung" zur Auswahl hat, ist aktuell in vielen Bereichen der Standard. Aber diese Art der Abstimmung hat ein großes Problem: Die meisten Probleme sind vielschichtiger. Oft möchte man nicht wirklich mit Ja abstimmen, aber noch weniger mit Nein. Also Enthaltung?

Dieses Problem greift SK auf. Man stimmt nicht mit "Ja/Nein/Enthaltung" sondern mit einem Wert zwischen 0 und 10 ab. Dabei kann man sich das ungefähr wie Schulnoten vorstellen. 0 ist super, 10 ist maximal schlecht. Beim SK nennt man diese Werte nicht Noten, sondern "Widerstand". 0 bedeutet also "kein Widerstand" und 10 bedeutet "maximaler Widerstand". Es gibt auch Varianten, bei denen man statt 0-10 dann 0-2 oder 0-5 verwendet.

Der Vorteil ist, dass man über mehrere Möglichkeiten gleichzeitig abstimmen kann. Als ausgewählt gilt dann die Möglichkeit, die insgesamt den geringsten Widerstand hat.

Das Verfahren ist ein wenig komplizierter, aber es führt zu genaueren Ergebnissen und es nimmt mehr Menschen mit.

SK führt zu guten Ergebnissen, wenn eine Gruppe sich einigen möchte. Es stößt an seine Grenzen, wenn innerhalb der Gruppe nicht der Wunsch existiert, sich zu einigen, weil beispielsweise Einzelne unbedingt ihren Willen durchsetzen wollen.

Ablauf des SK in Kürze

Beim SK wird zunächst eine offene Frage gestellt. Zu dieser Frage können dann von allen gemeinsam Lösungsvorschläge eingebracht und diskutiert werden. Das ist noch keine Abstimmung, sondern die Vorschläge sollen von allen Seiten beleuchtet werden. Zusätzlich wird eine Passivlösung eingebracht. Diese lautet in etwa "Wir wollen das jetzt nicht entscheiden" oder "Wir wollen nichts tun" - je nach Fragestellung.

Wenn niemand mehr neue Vorschläge einbringen möchte oder nach einer bestimmten Zeit beginnt die Abstimmungsphase. In der Abstimmungsphase können alle Mitglieder der Gruppe für alle Vorschläge ihre Widerstände nennen.

Der Vorschlag mit dem geringsten Widerstand gilt als gewählt. Dabei ist völlig egal, wie hoch oder niedrig der Widerstand für diesen Punkt ist oder wie nah die Widerstände der besten Vorschläge beieinander sind. Die Lösung mit dem geringsten Widerstand gilt als gewählt. Falls der Vorschlag mit dem geringsten Widerstand die Passivlösung ist, dann wird zu der gestellten Frage nicht gehandelt.

SK im Detail

Wie entscheiden Freunde? (Warum geht eigentlich “Ich bin dagegen!” vor “Ich bin dafür!”?)

Oft läuft es unter Freund*innen so, dass jemand einen Vorschlag macht, alle stimmen spontan zu und die Unternehmung kann beginnen. Manchmal kann es aber auch so laufen wie in dem folgenden kleinen Beispiel: 4 Freund*innen, die alle ihre Arbeitsplätze in einer schwäbischen Kleinstadt haben, wollen nach langer Zeit endlich mal wieder gemeinsam die Mittagspause verbringen. Zur Auswahl stehen ein italienisches, ein griechisches, ein chinesisches und ein schwäbisches Restaurant. Martin und Jeanette würden am liebsten chinesisch essen, Klaus zieht das griechische und Petra das schwäbische Restaurant vor. Petra äußert dann, dass sie die chinesische Küche nicht vertrage, Martin wurde die letzten zwei Male beim Griechen so unfreundlich bedient, dass er dort erst einmal nicht mehr hin möchte, und Jeanette bemängelt, dass es im schwäbischen Restaurant ausser Salat praktisch keine vegetarischen Gerichte gibt. Nach kurzem Austausch beschließen die vier, zum Italiener zu gehen. Allen schmeckt es dort, es gibt eine ausreichende Auswahl an vegetarischen Gerichten und Bedienung und Ambiente sind freundlich.

Unter Freund*innen ist ein solches Verhalten völlig normal und natürlich, in der Regel fällt es uns nicht einmal auf, was hier eigentlich genau geschieht. Wir nehmen Rücksicht auf ein großes Aber, das eine oder mehrere Personen zu einem der Vorschläge hat. Bei Gruppen-Entscheidungen in Firmen, Parteien, Vereinen usw., auch Wahlen wird in der Regel nicht so vorgegangen. Es gilt fast immer und fast überall der Mehrheitsentscheid. Das Aber, ein Widerstand gegen einen Vorschlag wird nicht berücksichtigt, wird gar nicht oder nur am Rande gehört. Das kann Ohnmacht, Wut, weiteren oder größeren Widerstand hervorrufen. Zudem erzeugen Mehrheitsentscheidungen automatisch “Gewinner” und “Verlierer”. Wenn 60% für einen Vorschlag waren, sind 40 % u.U. sehr unzufrieden. Im Vorfeld einer solchen Entscheidung gibt es oft Lagerbildungen, alle Seiten versuchen, die anderen von ihrem Vorschlag zu überzeugen.

SK versucht Entscheidungsfindungen, wie sie in der Regel unter Freund*innen ablaufen, zu systematisieren, indem dem Widerstand eine entscheidende Rolle eingeräumt wird. Eine noch recht neue Kultur der Entscheidungsfindung.